Wenn wir sterben...
Wenn wir sterben bleibt unsere Hülle liegen und der Rest verreist.
Lars, 6 Jahre
Den Spruch habe ich gerade im Bahnhof Altona in nem Schaukasten gelesen.
Hat mich an das errinnert worüber ich gestern Nacht mal wieder lange nachgedacht habe. Was passiert kurz vor, während und nach dem (irdischen) Tod mit mir?
Habe während meines Dienstes im Transplantationszentrum gestern Nacht zwei Infobroschüren zum Thema Organspende durchgelesen. Es ging auch um die Hirntoddiagnostik, die Grundvoraussetzung für eine Organspende ist. Wir haben in der Medizin den Begriff Tod in viele verschiedene Bereiche aufgedröselt. Klinischer Tod, biologischer Tod, Hirntod... Jeder dieser Zustände ist mehr oder minder endgültig.
Was will ich also das kurz vor, während und nach meinem Tod passieren soll? Ehrlich gesagt: ich weiss es nicht genau. Ich weiss nur, was ich nach meinem Tod für meinen Körper möchte.
Für nen Mitte zwanzigjährigen scheint das Thema Tod und Sterben recht weit weg zu sein. Ja und Nein.
JA, weil man jung und agil ist. Senilität, Demenz, Gebrechlichkeit und alles andere was wir mit "alt sein" und mit "nahe am Tod" verbinden, scheint so weit weg.
Und NEIN, denn ich beschäftige mich von berufswegen auch mit dem Tod. Diese letzte Hürde die jeder von uns irgendwann nehmen muss. Ich sehe junge Patienten oder lese von ihnen in der Zeitung. 26 Jahre, weiblich, verstorben an einer Hirnblutung, 19 Jahre, männlich verstorben an einem Kopfschuss (ja, das war in Westeuropa!). 45 Jahre, männlich Tod durch schweren Verkehrsunfall. 18 Jahre, weiblich, Tod wegen einem Arschloch das sie mit 2,xx Promille im Blut überfahren hat. So rückt das Thema doch schon wieder etwas näher und ich fange an mir oben erwähnte Gedanken zu machen.
Auch wenn ich Menschen mit einem Apallischen Syndrom ("Wachkoma") sehe, bewegt mich das sehr. "...bleibt unsere Hülle liegen und der Rest verreist." ich glaube nicht, das der Knirps das gemeint hat. Und doch wirken sie nicht Tod. Sie scheinen zu reagieren, irgendwelche Zeichen zu senden. Der zentrale Rechner hat aber schon seit einiger Zeit den Dienst quittiert. Graunhaft. Für die Umstehenden, für die Verwandten und Freunde. Höchstwahrscheinlich aber nicht für den Apalliker selbst. Kein Impuls errreicht die Grosshirnrinde. D.h. eine (un)bewusste Verarbeitung ist nicht möglich.
Bleibt für mich die frage des Standpunkts. Meiner Meinug dazu. Sie lautet wie folgt: ich denke jeder sollte sich eine Meinung zumindest darüber bilden was mit seinem irdischen Körper vor, während und nach seinem Tod passieren soll. Vom geistlichen ganz zu schweigen...
Kommt für MICH eine Organspende in frage? JA! Möchte ICH künstlich am Leben gehalten werden wenn meine Grosshirnrinde gesichert den Dienst verweigert? NEIN!
Vor ca einem Jahr war ich mir meiner Meinung noch sehr unsicher. Wir hatten zu der Zeit gerade in Ethik das Thema Hirntod und Organspende durch genommen. Ich war mehr verwirrt als alles andere. Die Arbeit im Transplantationszentrum hat mir eine komplett andere Sichtweise zu diesem Thema ermöglicht. "Im Tode dem Leben dienen" steht als Spruch in unserem Anatomischen Institut. Ist für mich die beste Option für meine Hülle. Der Rest ist dann verreist.
NACHTRAG:
Was die Frage der Organspende angeht - sowohl als Lebendspende oder nach dem Tod - so gibt es dort weder ein RICHTIG noch ein FALSCH!!! Es ist frage der individuellen Einstellung dazu, die man äusserst kritisch für sich bedenken sollte/kann.
Lars, 6 Jahre
Den Spruch habe ich gerade im Bahnhof Altona in nem Schaukasten gelesen.
Hat mich an das errinnert worüber ich gestern Nacht mal wieder lange nachgedacht habe. Was passiert kurz vor, während und nach dem (irdischen) Tod mit mir?
Habe während meines Dienstes im Transplantationszentrum gestern Nacht zwei Infobroschüren zum Thema Organspende durchgelesen. Es ging auch um die Hirntoddiagnostik, die Grundvoraussetzung für eine Organspende ist. Wir haben in der Medizin den Begriff Tod in viele verschiedene Bereiche aufgedröselt. Klinischer Tod, biologischer Tod, Hirntod... Jeder dieser Zustände ist mehr oder minder endgültig.
Was will ich also das kurz vor, während und nach meinem Tod passieren soll? Ehrlich gesagt: ich weiss es nicht genau. Ich weiss nur, was ich nach meinem Tod für meinen Körper möchte.
Für nen Mitte zwanzigjährigen scheint das Thema Tod und Sterben recht weit weg zu sein. Ja und Nein.
JA, weil man jung und agil ist. Senilität, Demenz, Gebrechlichkeit und alles andere was wir mit "alt sein" und mit "nahe am Tod" verbinden, scheint so weit weg.
Und NEIN, denn ich beschäftige mich von berufswegen auch mit dem Tod. Diese letzte Hürde die jeder von uns irgendwann nehmen muss. Ich sehe junge Patienten oder lese von ihnen in der Zeitung. 26 Jahre, weiblich, verstorben an einer Hirnblutung, 19 Jahre, männlich verstorben an einem Kopfschuss (ja, das war in Westeuropa!). 45 Jahre, männlich Tod durch schweren Verkehrsunfall. 18 Jahre, weiblich, Tod wegen einem Arschloch das sie mit 2,xx Promille im Blut überfahren hat. So rückt das Thema doch schon wieder etwas näher und ich fange an mir oben erwähnte Gedanken zu machen.
Auch wenn ich Menschen mit einem Apallischen Syndrom ("Wachkoma") sehe, bewegt mich das sehr. "...bleibt unsere Hülle liegen und der Rest verreist." ich glaube nicht, das der Knirps das gemeint hat. Und doch wirken sie nicht Tod. Sie scheinen zu reagieren, irgendwelche Zeichen zu senden. Der zentrale Rechner hat aber schon seit einiger Zeit den Dienst quittiert. Graunhaft. Für die Umstehenden, für die Verwandten und Freunde. Höchstwahrscheinlich aber nicht für den Apalliker selbst. Kein Impuls errreicht die Grosshirnrinde. D.h. eine (un)bewusste Verarbeitung ist nicht möglich.
Bleibt für mich die frage des Standpunkts. Meiner Meinug dazu. Sie lautet wie folgt: ich denke jeder sollte sich eine Meinung zumindest darüber bilden was mit seinem irdischen Körper vor, während und nach seinem Tod passieren soll. Vom geistlichen ganz zu schweigen...
Kommt für MICH eine Organspende in frage? JA! Möchte ICH künstlich am Leben gehalten werden wenn meine Grosshirnrinde gesichert den Dienst verweigert? NEIN!
Vor ca einem Jahr war ich mir meiner Meinung noch sehr unsicher. Wir hatten zu der Zeit gerade in Ethik das Thema Hirntod und Organspende durch genommen. Ich war mehr verwirrt als alles andere. Die Arbeit im Transplantationszentrum hat mir eine komplett andere Sichtweise zu diesem Thema ermöglicht. "Im Tode dem Leben dienen" steht als Spruch in unserem Anatomischen Institut. Ist für mich die beste Option für meine Hülle. Der Rest ist dann verreist.
NACHTRAG:
Was die Frage der Organspende angeht - sowohl als Lebendspende oder nach dem Tod - so gibt es dort weder ein RICHTIG noch ein FALSCH!!! Es ist frage der individuellen Einstellung dazu, die man äusserst kritisch für sich bedenken sollte/kann.
2 Comments:
hmm.. wow.. echt krasser eintrag.. das sind alles fragen, denen ich lieber aus dem weg gehe. obwohl ich sie eigentlich hochinteressant fände. Sehr schön, mal von dir zu lesen, der ja tatsächlich direkt was zu tun hatte mit "dem"...
Mensch Ralf du bist ein toller, das sind wichtige Gedanken. Und offt schiebt man sie vor sich her bis es dann zu spät ist, aber zumindestens mussten jetzt alle die das lesen sich zwei minuten damit auseinander setzen.
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