Mittwoch, Oktober 18, 2006

Inquisition - Version 2.0

Seit mehreren Jahren (!) bin ich entsetzt darüber wie manche Menschen, die sich "Christen" nennen, mit anderen Menschen, die sich auch "Christen" nennen, umgehen. Dieses Entsetzen war mir mal mehr mal weniger präsent. Seit einigen Wochen nimmt dieser grosse Komplex wieder mehr Platz in meiner Warnehmung ein.
Und es kostet mich auch einiges an Gehirnschmalz mich damit auseinander zusetzen.
Es geht hierbei nicht darum, das man theologische Differenzen hat. Die sind unvermeidlich auf einem GEMEINSAMEN Weg. Selbst wenn dieser gemeinsame Weg sich an irgendeiner Stelle trennt und jeder seinem Weg folgt in Richtung auf das EINE Ziel. Es geht mir mehr darum WIE diese Menschen in diesen Differenzen miteinander umgehen. Nichts gegen gute, vielleicht sogar hart geführte Diskussionen oder Gespräche die um die Sache als solche geführt werden. Gerade das kann doch weiter bringen.

Was ich zur Zeit sehe (und schon länger beobachtet habe) ist der Punkt, dass Menschen die über lange Zeit zusammengearbeitet haben, sich bis weit unter die Gürtellinie bekämpfen. Delinquenten werden von Veranstaltungen ausgeschlossen. Falls Sie irgendwohin zum Predigen eingeladen werden, darf für diese Veranstaltung keine Werbung in gewissen Kreisen gemacht werden. Man verliert trotz guter Arbeit seinen Job oder wird aus ehrenamtlichen Tätigkeiten verdrängt. Soweit ich das sehe alles "nur" weil man jetzt das andere, das falsche Parteibuch in Händen hält. Oder weil man sagt, dass man sich z.Zt. an gewissen Dingen in dieser Gemeinde/Bewegung/Gruppe/Vereinigung stört und mit diesen nicht klar kommt. Ausgrenzung und Abstrafung sind tolle Mittel um den anderen mundtot zu machen. Erinnert mich ein bisschen an Demokratie chinesischer Machart. Beschwerden? Kritik? Andere Meinung über den selben Bibelvers? Nicht nötig! Wir leben doch im Land des Lächelns! Entschuldigt bitte die Ironie...
Der Vergleich mit dem Parteibuch hinkt. In der Politik wird sich behakt um von den Wählern Stimmen zu bekommen. Oder geht ´s darum auch bei den o.e. Menschen? Man sammelt Jünger hinter der eigenen Theologie. Und wer die meisten Stimmen bekommt hat recht? Das haut in der Politik auch nicht hin...
Man muss sich abgrenzen (gilt auch für Gemeinden) und Werte/Standpunkte definieren um nicht in einem Einheitsmus zu enden. Man darf und muss im weitesten Sinne exklusiv sein. Aber das ändert doch nichts an dem einen, gemeinsamen Ziel!

Ausdrücklich möchte ich an dieser Stelle erwähnen, dass es dabei nicht um mich geht. Es kratzt auch nicht an meinem Glauben oder an meiner Beziehung zu Gott. Aber es verletzt mich so etwas zu sehen, weil es gute und enge Freunde betrifft und einige andere Menschen, auf die ich einiges halte.

Es ist schwer zu begreifen wenn ein Mensch, mit dem man jahrelang für ein und dieselbe Sache gearbeitet/gekämpft hat, irgendwann eine andere Richtung einschlägt. Was aber anscheinend nicht gesehen wird ist der Punkt, das die meisten das Ziel NICHT aus den Augen verlieren sondern nur einen anderen Weg dorthin suchen. Auf die Diskussion, das es Wege gibt die nicht zum Ziel führen, lass ich mich an dieser Stelle NICHT ein. Es geht hier um Menschen, die nicht den Glauben ramponieren oder ihm abschwören. Es geht um Menschen, die FüR SICH einen anderen Zugang zu Gott suchen oder über die Zeit eine andere Vision für ihre Gemeindearbeit oder ihr Leben gefunden/entwickelt haben. Sie spielen immer noch im selben Verein aber jetzt nicht mehr als Defensives Mittelfeld sondern auf der Torwartposition! Selbe Strasse, andere Hausnummer. Selber Zug, anderes Abteil.
Ich glaube, wir haben ein Problem damit, wenn Menschen unserer langen hingebungsvollen Arbeit mit Kritik gegenüberstehn, sie nicht so akzeptieren können oder einen anderen Weg für richtig halten. Wir suchen nach der einen Wahrheit, der einen einzigen Theologie. Einer Auslegung der Bibel, die für alle unumstösslich zu treffend ist. Und sind selbst doch oft derbe inkonsequent wenn es um die Bewertung der Früchte unserer Arbeit geht.

Wie oft streiten wir uns um Formen und Traditionen und wie weit bringt uns das? Wie weit liegen wir in den Kernfragen wirklich auseinander? Was von dem worum wir kämpfen ist Theologie (im Sinne von Wort Gottes-> relevant) und was ist Tradition (im Sinne von erlernte Formen/Werte/Ausdrucksweisen/etc.)?
Ich hab vor einiger Zeit eine Geschichte gehört. Ob sie so passierte, weiss ich nicht. Ich finde die Aussage aber ziemlich klasse: Auf einem christlichen Festival sind ein sehr konservativer evangelischer Theologe und ein Prediger einer charismatischen Bewegung gebeten worden ein Seminar zusammen zu machen. Jeder der beiden musste sich mit den Positionen des anderen auseinandersetzen um dieses Seminar zu gestalten. Nach dem Seminar kamen beide zu der Einsicht, das ihre Ansichten zu 97% übereinstimmten. Die restlichen 3% seien so unwichtig, das man sie eigentlich vernachlässigen könnte.

14 Comments:

Anonymous Anonym said...

der mann hat recht

Donnerstag, 19. Oktober 2006 um 08:13:00 MESZ  
Blogger Rotsch said...

jup mein ich auch

Donnerstag, 19. Oktober 2006 um 15:02:00 MESZ  
Anonymous Anonym said...

und was kann man dagegen tun?

Donnerstag, 19. Oktober 2006 um 17:30:00 MESZ  
Blogger Ralf said...

@ Marco: Wo gegen?
@ Simon und Roger: Danke! Bin trotzdem an gegenläufigen Meinungen interesiert... bin ja diskussionsbereit... :-)

Donnerstag, 19. Oktober 2006 um 18:38:00 MESZ  
Anonymous Anonym said...

Dagegen tun: nichts! Damit umgehen: besser! zumindest besser als es im Moment passiert! Menschlicher, liebevoller...

Freitag, 20. Oktober 2006 um 10:12:00 MESZ  
Blogger Ralf said...

Du sagst es Simon. Es liegt an UNS wie WIR mit anderen umgehen... Den Rest seh ich mittlerweile (leider!!!) als gegeben an.

Freitag, 20. Oktober 2006 um 11:22:00 MESZ  
Blogger flanger said...

ich meinte mit "dagegen" was man gegen diesen umgang tun kann. gegen die stigmatisierung. vielleicht solltest du mal etwas konkreter werden. namen nennen z.b. - wer verbietet denn wem wo zu predigen? lg, marco.

Mittwoch, 25. Oktober 2006 um 21:17:00 MESZ  
Blogger Ralf said...

@ Marco: ich habe mit Absicht keine Namen, Gemeinden, Bewegungen etc explizit aufgeführt um a)die heikle Situation nicht noch mehr anzufeuern oder die o.E. an den Pranger zu stellen da ich b) darin etwas sehe was bei mehreren Christen, Gemeinden, Bewegungen gerade abgeht bzw abging.
Zur Frage des "Umgangs" hatte Simon ja weiter oben schon was geschrieben...

Donnerstag, 26. Oktober 2006 um 15:44:00 MESZ  
Blogger flanger said...

ich finde das irgendwie komisch, dass zwar über ein problem gesprochen wird, aber das nicht konkret.

paulus nennt z.b. immer namen so weit ich weiß. es ist klar, um wem es geht. auch gerade bei kritik.

und überhaupt haben wir in der bibel konkrete personen, die auch damit leben müssen, dass jeder weiß was sie falsch und richtig gemacht haben.

Donnerstag, 26. Oktober 2006 um 17:54:00 MESZ  
Blogger Ralf said...

@freaxfiles
Tach Meister. Habe gerade mal Deinen blog gesehen und bin ein bischen platt, was du da alles postest. Zum Glück gabs den Kommentarteil, wo die Angesprochenen sich von dem was da (in AUSZÜGEN!!!) veröffentlicht wurde weit genug zu distanzieren!
Liess doch noch mal meinen Post "Inquisition - Version 2.0" Alternativ mal Nobbi befragen (link Spezial Pfaffe).
... an der Liebe untereinander werdet ihr sie erkennen!?! Wir haben noch viel zu tun... Segen, Ralf

Donnerstag, 26. Oktober 2006 um 19:15:00 MESZ  
Blogger flanger said...

wieso bin ich jetzt derjenige, der für unfrieden sorgt? ich bringe nur bestehende konflikte zur sprache. mir wurde vorgeworfen, dass ich halbwahrheiten verbreitet hätte... welche denn bitte? bis jetzt hatte ich immer recht.

Samstag, 28. Oktober 2006 um 21:21:00 MESZ  
Blogger Ralf said...

Es geht hier nicht um Schuld oder Unschuld!!! Es geht (mir) um den Umgang in der Situation! Und den fand ich weeeeiiiiitttt daneben... C ya in heaven, Ralf

Sonntag, 29. Oktober 2006 um 02:40:00 MESZ  
Blogger flanger said...

"c ya in heaven" heißt soviel wie "verpiss dich, halts maul und na ja im himmel müssen wir uns wohl sehen..."

es geht nicht immer nur friede, freude, eierkuchen. lies mal die propheten, schau dir johannes den täufer, jesus und weitere an.

sie alle haben in überzogenen darstellungen kritik am bestehenden system geübt.

dafür wurden sie hingerichtet.

Sonntag, 29. Oktober 2006 um 13:07:00 MEZ  
Blogger Ralf said...

c ya in heaven heisst in MEINEM Sprachgebrauch: ich glaube wir werden uns (spätestens) im Himmel treffen auch wenn wir hier auf Erden anscheinend grundsätzlich unterschiedlicher Meinung sind.
"dafür wurden sie..." Du hast aber auch n Talent dich provokativ zu äussern... Lass gut sein. Wir beide sind auch nur als Dritter betroffen. Danke für Deine Interesse, aber wir werden die Probleme der Freaks nicht lösen. Gruss, Ralf

Sonntag, 29. Oktober 2006 um 15:28:00 MEZ  

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